Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden

Veröffentlichung: Juli, 2022


Die Richter des Bundesarbeitsgerichts entschieden in ihrem Urteil v. 4.5.2022, dass ein Arbeitnehmer in der Begründung für die von ihm geleisteten Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darlegen muss, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.
Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.
Widerrufsrecht bei Online-Kauf von Eintrittskarten für Kultur- oder
Sportveranstaltungen


Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind einige Ausnahmen zum gesetzlichen Widerrufsrecht geregelt: u. a. Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht. Der Europäische Gerichtshof hatte am 31.3.2022 die Frage zu klären, ob das auch gilt, wenn der Verkauf über einen Zwischenhändler – hier: CTS Eventim – erfolgt.

Wie beim Kauf unmittelbar beim Veranstalter besteht beim Kauf über einen Vermittler kein Widerrufsrecht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter treffen würde. Demnach kann auch ein über einen Zwischenhändler gekauftes Ticket nicht widerrufen werden.

Im dem entschiedenen Fall wurde ein Konzert corona-bedingt abgesagt und der Ticketkäufer erhielt einen Gutschein. Dieser verlangte jedoch stattdessen die Rückzahlung.

Informationspflicht des Paketzustellers über abgestellte Sendung

In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) am 7.4.2022 entschiedenen Fall verwendete ein Paketdienstleister in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen u. a. folgende Klausel: „Hat der Empfänger eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist.“

Der BGH entschied, dass diese Bedingung Verbraucher unangemessen benachteiligt, da sie den Dienstleister nicht verpflichtet, den Empfänger über die erfolgte Abstellung zu informieren und damit in die Lage versetzt, die Sendung bald an sich zu nehmen.

Die BGH-Richter führten aus, dass die Zulassung dieser Form der Zustellung grundsätzlich den Interessen aller Beteiligten entspricht, weil sie die Zustellung beschleunigt und vereinfacht. Sie birgt jedoch auch die Gefahr, dass Sendungen nach dem Abstellen von Unbefugten an sich genommen werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Empfänger eine Abstellgenehmigung nur für solche Orte erteilen kann, die für den Zusteller – und damit auch für Dritte – frei zugänglich sind. Dadurch entsteht das Risiko, dass die Sendung nach der Abstellung entwendet wird.

Dieses Risiko ist besonders groß, wenn die Abstellgenehmigung nicht nur für eine konkrete Sendung, sondern im Voraus generell für eine Vielzahl von Sendungen erteilt wird. Gerade in solchen Fällen ist nicht gewährleistet, dass der Empfänger von einer bestimmten Sendung erfährt und davon in Kenntnis gesetzt wird, dass er sie durch das Aufsuchen der in der Genehmigung bezeichneten Stelle in Besitz nehmen und dem Zugriff Unbefugter entziehen kann.

Diesem Risiko kann nur dadurch begegnet werden, dass der Empfänger vom Zusteller über die erfolgte Abstellung informiert wird, um dann die Sendung bald an sich zu nehmen, bevor es hierzu nicht berechtigte Dritte tun.

Zahlungspflicht bei corona-bedingter Schließung eines Fitnessstudios

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte am 4.5.2022 in der Frage entschieden, ob ein Fitness-Studio-Betreiber zur Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen verpflichtet ist, welche er in der Zeit, in der das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen musste, von einem Kunden per Lastschrift eingezogen hatte.

Der BGH kam zu der Entscheidung, dass ein Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge besteht. Diesem Rückzahlungsanspruch kann der Betreiber des Studios nicht entgegenhalten, der Vertrag war wegen Störung der Geschäftsgrund-lage dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert werden durfte.

Während des Zeitraums, in dem der Studio-Betreiber aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sein Fitnessstudio schließen musste, war es ihm rechtlich unmöglich, dem Mitglied die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit die vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

Rechte von Bauherren beim sog. Verbraucherbauvertrag

Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Ein Verbraucherbauvertrag im Sinne dieser Regelung liegt auch dann vor, wenn Bauherren beim Neubau eines Wohnhauses die Gewerke an einzelne Handwerksunternehmen vergeben.

In einem vom Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) entschiedenen Fall gab es zwischen einem Handwerksunternehmen und einem Bauherren-Ehepaar Streit über die Qualität der erbrachten Handwerksleistungen und die Eheleute verweigerten die Zahlung des Restbetrags in Höhe von ca. 8.000 €. Auch der Forderung des Handwerkers nach einer Sicherheitsleistung für diese ausstehende Summe, z. B. durch eine Bankbürgschaft, wollten sie nicht nachkommen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Eheleute hatte Erfolg. Nach der Entscheidung des OLG besteht der Anspruch des Handwerksunternehmens bereits deshalb nicht, weil es sich hier um einen Verbraucherbauvertrag handelt. In dieser Situation greift ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand zu Gunsten der Verbraucher.

Die Richter führten in ihrer Begründung aus, dass es in der Rechtsprechung bislang keine Einigkeit darüber gibt, ob der Anfang 2018 eingeführte Verbraucherbauvertrag auch die gewerkeweise Vergabe von Aufträgen an verschiedene Bauunternehmer umfasst. Aus Gründen des Verbraucherschutzes kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob ein Unternehmer alle Leistun-gen aus einer Hand erbringt oder die Bauherren die Leistungen einzeln vergeben würden. Zudem könnten Bauträger oder Generalübernehmer die Verbraucherschutzvorschriften ansonsten durch Herausnahme einzelner Leistungen umgehen. Dies ist vom Gesetzgeber nicht gewollt, so die Richter. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen und auch schon eingelegt.
 
Antrag auf befristete Teilzeit
 
Nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat, auf Antrag in Textform verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum verringert wird. Der begehrte Zeitraum muss mindestens ein Jahr und darf höchstens 5 Jahre betragen. Der Arbeitnehmer hat jedoch nur dann einen Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber i. d. R. mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt.
 
Im Falle einer Verletzung der dreimonatigen Mindestankündigungsfrist entschied das Bundesarbeitsgericht am 7.9.2021, dass dieser Antrag nicht ohne weiteres als ein zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirkendes Angebot verstanden werden kann, wie es bei einem Antrag auf unbefristete Teilzeit möglich ist.

Umgangsrecht bei Trennung und Scheidung
 
Wenn ein Kind nach der Trennung bei einem Elternteil bleibt, hat der andere Elternteil meist ein Umgangsrecht, z. B. an jedem zweiten Wochenende. Häufig einigen sich die Eltern vor dem Familiengericht darüber, wie das Umgangsrecht genau ausgestaltet wird. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) hatte am 14.1.2022 zu entscheiden, was passiert, wenn sich die Lebensumstände ändern und es zu Streit kommt.
 
Die Eltern eines sechsjährigen Kindes hatten sich über ein Umgangsrecht des Vaters geeinigt. Dabei hatte die Mutter zugesagt, das Kind zum Umgang zum Vater nach Ostfriesland zu bringen. Der Vater übernahm den Rücktransport. Nach ca. einem Jahr begehrte die Mutter eine Änderung der Vereinbarung. Sie argumentierte, sie könnte das Kind nicht mehr bringen, weil sie ein weiteres Kind bekommen hatte und daher zeitlich nicht mehr so flexibel ist. Außerdem war sie umge-zogen, wodurch sich die Reisezeiten verlängert hatten. Der Kindesvater wollte an der getroffenen Einigung festhalten.
 
Die OLG-Richter gaben der Mutter recht. Eine vor Gericht abgeschlossene Umgangsvereinbarung kann zwar ohne die Einwilligung beider Elternteile nur geändert werden, wenn dies dem Kindeswohl dient und eine gewisse „Änderungsschwelle“ überschritten ist. Dies war hier aber der Fall. Denn der Transport des Kindes zum Vater war der Mutter wegen der geänderten Umstände nicht mehr zumutbar, sodass der Umgang ohne eine Anpassung der Regelung nicht sichergestellt war.

Teilnahme eines Elternteils an der Einschulungsfeier seines Kindes
 
In dem entschiedenen Fall waren die beteiligten Kindeseltern getrenntlebende Eheleute und der Trennungskonflikt schon Gegenstand mehrerer familiengerichtlicher Verfahren. Zuletzt wurde die elterliche Sorge für beide Kinder auf die Kindesmutter übertragen und dem Kindesvater ein Umgangsrecht im Umfang von zwei Stunden wöchentlich unter Begleitung des Kinderschutzbundes zugesprochen. Sowohl im Sorgerechts- als auch im Umgangsverfahren hat der Kindesvater Beschwerden eingelegt. Diese sind aber noch nicht abgeschlossen.
 
Während dieser Beschwerdeverfahren ist der Kindesvater mit dem Wunsch an die Kindesmutter herangetreten, an der Einschulungsfeier eines der Kinder teilnehmen zu dürfen, und stellte einen entsprechenden Antrag bei Gericht. Die Kindesmutter lehnte dieses Ansinnen unter Androhung eines Polizeieinsatzes ab.
 
Grundsätzlich hat ein Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Dieses Umgangsrecht beinhaltet zwar regelmäßig auch das Recht zur Teilnahme an besonderen Ereignissen wie z. B. einer Einschulungsfeier. Dies setzt aber voraus, dass beide Eltern spannungsfrei an dieser Veranstaltung teilnehmen können und nicht die Gefahr besteht, dass die familiäre Belastung in die Veranstaltung hineingetragen wird. Somit lehnten die Richter des Oberlandesgerichts Zweibrücken den Antrag des Vaters ab.

Wirksamkeit eines Drei-Zeugen-Testaments
 
Wer sich an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände so abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist, kann das Testament z. B. durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Die drei Zeugen haben dabei eine Anwesenheits- und Mitwirkungspflicht für die mündliche Erklärung des letzten Willens, dessen Aufnahme und Verlesung und deren Genehmigung durch den Erblasser. Sie müssen also während der gesamten Testamentserrichtung anwesend sein, es muss hierüber eine Niederschrift aufgenommen werden und die Zeugen müssen diese unterschreiben.
 
In dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf am 6.1.2022 entschiedenen Fall war ein Nottestament nicht wirksam, denn die das Testament mitunterzeichnenden Zeugen waren nicht gleichzeitig anwesend. Ferner hatten sie die Niederschrift nacheinander und jeweils einzeln dem Erblasser vorgelesen und den Text unterschrieben.

Kurz notiert Berücksichtigung des Kindererziehungsaufwands in der Pflegeversicherung: Mit Wirkung zum 1.1.2005 wurde in der Pflegeversicherung ein Beitragszuschlag für Kinderlose eingeführt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts werden in dem gegenwärtigen System der sozialen Pflegeversicherung Eltern mit mehr Kindern gegenüber solchen mit weniger Kindern in spezifischer Weise benachteiligt, weil der mit steigender Kinderzahl anwachsende Erziehungsmehraufwand im geltenden Beitragsrecht keine Berücksichtigung findet. Die gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt und mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31.7.2023 eine Neuregelung zu treffen.

 

Infobrief Juli 2022 als PDF zum Download!

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