Erhöhung des Mindestlohns zum 1.10.2022

Veröffentlichung: September, 2022


Zum 1.10.2022 steigt der Mindestlohn von 10,45 €/Stunde auf 12 €/Stunde. Diese Erhöhung wurde ausnahmsweise von der Bundesregierung bzw. dem Bundestag beschlossen. Alle zukünftigen Mindestlohnanpassungen erfolgen – wie bisher – auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission und damit erstmals wieder bis zum 30.6.2023 mit Wirkung zum 1.1.2024.
Ferner wird ebenfalls zum 1.10.2022 die Entgeltgrenze für Minijobs auf 520 €/Monat angehoben. Deren Ausgestaltung ist dynamisch und ermöglicht künftig eine Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zum Mindestlohn.
Nachweisgesetz – Änderungen seit dem 1.8.2022

In Deutschland ist im sog. Nachweisgesetz geregelt, welchen Informations- und Dokumentationspflichten Arbeitgeber nachkommen müssen. Zum 1.8.2022 kamen einige Ergänzungen hinzu und die neue Fassung gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Neueinstellungen. Zusätzlich sind nun folgende Punkte schriftlich zu dokumentieren:
  • jeweils getrennte Angaben zu den unterschiedlichen Bestandteilen des Arbeitsentgelts (Zusammensetzung und Höhe sowie Überstundenvergütungen, Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen) und Art und Fälligkeit der Auszahlungen
  • das Enddatum oder bei einem befristeten Arbeitsverhältnis die Dauer
  • die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte bzw. vorgesehene Ruhepausen und Ruhezeiten
  • bei Schichtarbeit die Art des Schichtsystems, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen
  • falls vereinbart, die Möglichkeit zur Überstundenanordnung und deren Voraussetzungen
  • bei Vereinbarung einer Probezeit deren Dauer
  • ggf. freie Wahl des Arbeitsorts durch den Arbeitnehmer
  • wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers, wenn nicht der Versorgungsträger dazu verpflichtet ist, den Arbeitnehmer selbst zu informieren
  • ein etwaiger Anspruch auf Fortbildung, die durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird
  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhal-tende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
Bereits am ersten Tag muss die Niederschrift mit den Namen und den Anschriften der Vertragsparteien, Informationen zum Arbeitsentgelt und seiner Zusammensetzung sowie über die Ar-beitszeiten vorliegen. Nur die restlichen Nachweise dürfen innerhalb der folgenden sieben Kalendertage noch nachgereicht werden. Bei einem bestehenden Arbeits­verhältnis vor dem 1.8.2022 muss der Arbeitgeber ebenfalls schriftlich über die wesentlichen Arbeits­bedingungen informieren, sofern vom Arbeitnehmer gewünscht.

Corona-Sonderregelung: telefonische Krankschreibung

Angesichts der steigenden Infektionszahlen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Corona-Sonderregelung für eine telefonische Krankschreibung wieder aktiviert. Diese gilt vorerst befristet bis 30.11.2022.

Aufgrund dieser Sonderregelung können Versicherte, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, telefonisch bis zu 7 Tage krankgeschrieben werden. Dabei müssen sich die Ärzte durch eine eingehende telefonische Befragung persönlich vom Zustand des Patienten überzeugen. Ebenso kann eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung telefonisch für weitere 7 Kalen-dertage ausgestellt werden.

Keine gesetzliche Regelung zur Heizperiode

Gerade jetzt bei den steigenden Energiekosten stellt sich die Frage: Gibt es eine gesetzliche Regelung zur Heizperiode? Die Antwort lautet nein. Der Zeitraum vom 1.10. bis zum 30.4. hat sich jedoch auch in der Rechtsprechung als Heizperiode durchgesetzt. Während dieser Zeit ist die einwandfreie Funktion der Heizungsanlage sicherzustellen. Abweichungen sind allerdings je nach Region und Witterung möglich.

Bezüglich einzuhaltender Mindesttemperaturen sind innerhalb des oben genannten Zeitraums 20 bis 22 °C zu gewährleisten. Nachts (zwischen 24 Uhr und 6 Uhr) kann diese Temperatur auf mindestens 16 °C abgesenkt werden. Mieter sind nicht verpflichtet die Wohnung bzw. das Haus zu heizen, solange sie dafür sorgen, dass keine Kälteschäden entstehen.

In der übrigen Zeit, also vom 1.5. bis 30.9. gelten andere Richtwerte und der Vermieter ist ver-pflichtet, die Heizungsanlage anzustellen, wenn abzusehen ist, dass die Außentemperaturen unter 16 °C fallen. Auch hier muss der Mieter dafür sorgen, dass die Temperaturen in den Räumen keine Schäden durch Auskühlen verursachen.

Vorkaufsrecht des Mieters

Bei der Umwandlung einer Immobilie in Wohnungseigentum muss der Eigentümer dem derzeitigen Mieter die Möglichkeit geben, die Mietwohnung zu kaufen, bevor es ein Dritter tut (Vorkaufsrecht).

Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zu Lasten Dritter dar.

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23.2.2022 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Mieterin in Berlin nutzte ihr Vorkaufsrecht und hatte sich mit dem Besitzer auf einen Kaufpreis von ca. 163.000 € geeinigt. Der andere Käufer hätte die Wohnung laut Kaufvertrag jedoch günstiger erworben, falls sie noch vermietet sein sollte. Die BGH-Richter entschieden zugunsten der Mieterin, sodass diese auch nur den geringeren Betrag von ca. 147.000 € zahlen musste.

Keine vollständige Privatsphäre bei Getrenntleben

In einem von den Richtern des Oberlandesgerichts Bamberg am 1.4.2022 entschiedenen Fall lebte ein Ehepaar getrennt in der Ehewohnung (200 m2 Wohnfläche und 1.800 m2 Grundstück).

Die Frau beantragte nach drei Monaten die Zuweisung der Wohnung zur alleinigen Nutzung, da sie das Zusammenleben mit ihrem Mann innerhalb eines Hauses für unzumutbar hielt. Sie verlangte eine umfassende Privatsphäre und wollte ferner wissen, wann sich ihr Ehemann im gemeinsamen Haus aufhalten wird.

Leben die Ehegatten voneinander getrennt oder will einer von ihnen getrennt leben, so kann ein Ehegatte verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benut-zung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden.

Ein Anspruch auf vollumfängliche Privatsphäre in der gesamten Ehewohnung sowie auf Kenntnis der Anwesenheitszeiten des anderen Ehegatten besteht während des Getrenntlebens innerhalb der Ehewohnung nicht. Das würde den anderen Ehepartner unzumutbar in seinem freien Nutzungsrecht einschränken. Die Frau hatte somit vor Gericht keinen Erfolg.

Stiefkindadoption

Grundsätzlich kann eine Adoption ausgesprochen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht.

Vor allem bei der Stiefkindadoption ist das schützenswerte Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung der familiären Bande zu seinem leiblichen anderen Elternteil zu beachten, wenn dieses Band infolge der Stiefkindadoption durchtrennt würde.

Für die Adoption des Kindes durch den Stiefelternteil kann dabei etwa sprechen, dass zwischen Kind und dem durch die Adoption zurücktretenden leiblichen Elternteil keine Beziehung (mehr) besteht, etwa weil dieser verstorben oder unbekannt ist oder die Beziehung so stark gelockert ist, dass sich das zwischen dem Kind und dem leiblichen Elternteil bestehende Eltern-Kind-Verhältnis nur noch als leere rechtliche Hülle darstellt.

In einem vom Oberlandesgericht Oldenburg am 8.4.2022 entschiedenen Fall wurde eine Adoption abgelehnt. Der leibliche Vater hatte zunächst seine Einwilligung in die Adoption erklärt, diese aber im Hinblick auf die erwartete Haftentlassung wieder zurückgenommen. Das Kind erklärte, dass der von ihm ebenfalls als „Papa“ bezeichnete Stiefvater sich sehr gut um es kümmert, indem er z. B. für das Kind kocht und es zur Schule bringt. Das Kind hatte aber ebenso auch den Wunsch geäußert, häufiger Kontakt zu seinem leiblichen Vater haben zu können und diesen ebenfalls als Vater angesehen.

Form- und fristgerechte Anfechtung einer Erbausschlagung

Die formgerechte Anfechtungserklärung bezüglich einer vorausgegangenen Erbausschlagung erfordert bei Abgabe der Erklärung in öffentlich beglaubigter Form den Eingang der Originalurkunde beim Nachlassgericht.

Die Übermittlung der als Papierurkunde erstellten notariell beglaubigten Anfechtungserklärung in Gestalt einer pdf-Datei über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Nachlassgericht reicht zur Wahrung der erforderlichen Form für eine wirksame Anfechtung der Erbausschlagung nicht aus.

Die Anfechtungserklärung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt.

So hatten in dem vom Oberlandesgericht Bamberg entschiedenen Fall Geschwister eine Ausschlagungserklärung angefochten. Eine beglaubigte pdf-Datei ging per besonderem Anwaltspostfach raus und das Original wurde per Post hinterhergeschickt. Dieses kam jedoch nach Ablauf der Frist beim zuständigen Gericht an und konnte damit die Erbausschlagung nicht mehr aufheben.

Hälftige Haftung bei Unfall auf einem Parkplatz

Auf Fahrgassen eines Parkplatzes, die vorrangig der Parkplatzsuche dienen und nicht dem fließenden Verkehr, gilt nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“. Die Fahrer sind vielmehr verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit seiner Entscheidung vom 22.6.2022 eine hälftige Haftungsquote für die Unfallfolgen auf einem Parkplatz eines Baumarktes ausgesprochen.

Etwas anderes gilt nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zum 1.1.2023

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt zum 1.1.2023 in Kraft und gilt für in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern (ab 1.1.2024: 1.000 Mitarbeiter). Diese werden dazu verpflichtet, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung und Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten besser nachzukommen. Zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmen zählen:
  • Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse
  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie
  • Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern
  • sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens im Falle von Rechtsverstößen
  • Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten
Die Verantwortung der Unternehmen erstreckt sich auf die gesamte Lieferkette, wobei die Unternehmensverantwortung nach dem Grad der Einflussmöglichkeit abgestuft ist.

Die Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt gelten zunächst für die Unternehmen selbst sowie für unmittelbare Zulieferer. Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d. h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen analysiert und adressiert werden, wenn Unternehmen dar-über substantiiert Kenntnis erlangen. Auch wenn kleine und mittlere Unternehmen nicht direkt unter das Gesetz fallen, sind sie doch ggf. als Zulieferer für größere Abnehmer ihrer Produkte und Dienstleistungen in die Thematik involviert.
 

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